Dienstag, 3. November 2015

Angsthase im Alleingang

Nach dem ich eine aufregende Zeit während meiner Rotary-Club-Tournee verbracht hatte, wurde mir im Anschluss daran doch sehr offensichtlich bewusst, wie sehr ich hier auf mich allein gestellt bin.
Wie ich da so allein mit dem Bus in mein Dorf zurück fuhr, wurde mir klar, dass ich hier in der Fremde eigentlich nur mich selbst habe. 

Ich bin hier in der Lodge zwar von netten Menschen umgeben, mit denen ich auch mal herzhaft lachen kann, aber so eine richtige Bezugsperson, die sich sorgt, wie es mir geht, was ich denke und fühle, habe ich noch nicht gefunden. Auch ist mir in diesem Moment, wo ich durch Täler und Berge fuhr, zum ersten Mal richtig aufgefallen, dass wir als Austauschschüler in Taiwan doch alles auf dem Silbertablette serviert bekommen haben. Ich dachte damals ich wäre schon selbstständig, aber erst jetzt merke ich, was es heißt, sich wirklich um alles selber kümmern zu müssen, sei es um den Kontakt zu Rotary, wie ich zum Sport komme oder einfach nur um mein Wohlbefinden.
Auch wenn es manchmal eine nicht so angenehme Situation ist, finde ich es sehr wichtig, dass ich genau das jetzt durchlebe, dass ich lerne auf mich selbst gestellt zu sein und lerne damit umzugehen mit mir als Person zu leben. Von Zeit zu Zeit ist es schwierig, sich immer wieder selbst zu motivieren, sich selbst zu sagen, dass es wieder bergauf gehen wird, wenn man sich gerade in einem Tief befindet. Man ist immer selbst dafür verantwortlich, Gründe zu finden, für die es sich aufzustehen lohnt. Man wird sie nicht zum Frühstück serviert bekommen.
Das Leben, was ich hier zur Zeit führe, ist nicht perfekt, und vielleicht auch nicht ganz das, was ich von Lateinamerika erwartet, mir gewünscht habe. Und dennoch, woher hätte ich das denn wissen sollen, hätte ich mich vor sechs Wochen nicht ins Ungewisse gestürzt?
Ich frage mich dann immer wieder, wo sonst, wenn nicht hier hätte ich diese Lektionen des Lebens lernen sollen, wenn nicht hier, wo ich wirklich auf mich allein gestellt bin?
Es ist sehr interessant zu erfahren, wie man sich an andere anpasst, oder es zumindest versucht, ohne sich dabei selbst untreu zu werden. Ich versuch die Zeit für mich zu nutzen und zu lernen, was für mich wichtig ist, was ich brauche im Leben, um sagen zu können "Ich bin zufrieden, ich bin glücklich." Denn was man wirklich braucht, weiß man erst, wenn man es nicht mehr hat. (Zum Beispiel Brot :D)

Was für mich am Anfang sehr schwierig war, war die Tatsache, dass ich keinen Ort hatte, an dem ich mich so richtig wohlgefühlt habe. Nach dem Ausflug nach Cartago hat sich die Beziehung zu meinem Zimmer allerdings deutlich verbessert und ich fühle mich in der Lodge heimischer. 

Eine Sache, an der ich definitiv noch arbeiten muss, und die mich wohl auch noch viel Kraft und Schweiß kosten wird, ist meine große Angst. Ich weiß nicht ob es an meiner sehr behüteten Erziehung liegt oder daran, dass hier wirklich jeder von einem Raub oder Mord auf offener Straße zu erzählen weiß, aber ich habe, wenn ich allein unterwegs bin, tatsächlich große Angst. Selbst als ich tagsüber durch Cartago getigert bin, fürchtete ich, hinter jeder Ecke könnte das Böse lauern. So wartete ich mal hier bei einer Menschenmenge, stellte mich mal dort für ein paar Minuten zu einer Gruppe, um nicht allein zu sein. Meine Unsicherheit war mir mit Sicherheit von weitem anzusehen. So schwierig all' diese Situationen auch immer zu scheinen mögen, ich bin dankbar, dass ich sie alle erlebe, denn nur so kann ich entweder lernen meine Angst zu überwinden oder lernen, sie zu akzeptieren und damit umzugehen.
Das Ganze steht nun natürlich etwas im Kontrast mit meinem Wunsch, zu reisen und mir das Land anzuschauen. Ich weiß nicht ob es leichtsinnig ist, wenn ich sage, ich bin jetzt mutig und mache mich auf ein Abenteuer oder ob es dumm ist, die ganze Zeit mit der Angst im Gepäck unterwegs zu sein. Man läuft ja auch nicht mit einem Regenschirm durch die Straße und wartet, dass es regnet. 

Neben all' diesen Gedanke, die mir auf der Busfahrt so durch den Kopf schwirrten, wurde mir zum wiederholten Male sehr bewusst, was für ein rastloser Mensch ich doch bin. Schon als ich in Taiwan war, wusste ich, dass ich nach dem Abitur wieder ins Ausland gehe. Und auch jetzt, denke ich hier sehr oft darüber nach, wie ich die nächsten Etappen meines Lebens gestalten werde, wo ich die nächsten Jahre wohl verbringen möchte und werde. Dabei stört mich nicht der Gedanke des Unterwegs-Seins an sich, dass ist ja genau das, was ich will, aber es ärgert mich, dass ich es nicht schaffe, im Hier und Jetzt zu leben, und mir vielleicht nur Gedanken über die nächste Woche zu machen. Ich frage mich, wann und wo ich ankommen werde, wann und wie ich lernen werde, oder es vielleicht einfach passieren wird, dass ich im Jetzt lebe ohne über das Vielleicht von Morgen zu grübeln. Ich gebe mir wirklich Mühe, aber meine Gedanken wandern immer wieder die Zukunft.

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